Birkenau. Auf dem Weg zum Neubau einer Kindertagesstätte ist die Gemeinde Birkenau einen riesigen Schritt vorangekommen. Nach einer gemeinsamen Empfehlung aller drei Ausschüsse soll die Verwaltung beauftragt werden, die Errichtung eines Kindergartens, der den Bedarf der Gemeinde deckt, auf dem Grundstück „Häusersecker“ an der Gemarkungsgrenze von Birkenau nach Nieder-Liebersbach zu prüfen. Gleichzeitig soll das Grundstück auf seine maximale Kapazität untersucht werden. Diese Empfehlung wurde in allen drei Ausschüssen einstimmig ausgesprochen. Das letzte Wort hat die Gemeindevertretung, die voraussichtlich bei ihrer Sitzung am 5. April abschließend entscheiden wird. Deren Vorsitzender, Stefan Roewer (CDU), hatte zuletzt – auch zu Beginn der „Dreiersitzung“ in der Reisener Südhessenhalle – immer wieder auf die Dringlichkeit der Angelegenheit hingewiesen und auf eine Entscheidung noch vor der Sommerpause gepocht. Jetzt könnte der Neubau einer Kita noch deutlich früher beschlossen werden. Sollte die Gemeindevertretung der Empfehlung folgen, wäre das auch ein gutes Signal für den zumindest vorläufigen Weiterbetrieb des katholischen Kindergartens Arche Noah in Nieder-Liebersbach. In der Empfehlung ist nämlich nicht mehr die Rede vom Bau eines siebengruppigen Kindergartens, sondern von einer Einrichtung, die den Bedarf deckt. Zwischen 80 und 100 Kita- Plätze fehlen zurzeit in der Gemeinde, sodass vom Bau einer viergruppigen Kita auszugehen ist – die aber möglicherweise in Modulbauweise errichtet und damit flexibel um eine oder mehrere Gruppen erweitert werden könnte. Der Elternbeirat der Arche Noah zeigte am Mittwoch erneut Flagge und war mit mehreren Personen in der Südhessenhalle vertreten.

Sachliche Diskussion

In der Sitzung selbst, die bemerkenswert sachlich und fair verlief, hatten verschiedene Redner ihre Standpunkte dargestellt. Gemeindevertretervorsitzender Roewer machte gleich zu Beginn noch einmal deutlich, dass das Mittel der gemeinsamen Sitzung aller Ausschüsse gerade deshalb gewählt worden sei, um in der Kindergartenfrage möglichst zügig voranzukommen. Ziel dieser zweiten Dreiersitzung sei es, tatsächlich zu einer Empfehlung zu kommen. Die Verwaltung schlage die „große Lösung“ vor, also den Neubau einer siebengruppigen Kita, durch die der Bedarf in der Kerngemeinde und insbesondere in Nieder- Liebersbach gedeckt werden könne. Bürgermeister Milan Mapplassary stellte die Begriffe Gemeinsamkeit und Mut in den Mittelpunkt seiner kurzen Ansprache. „Uns alle eint der gemeinsame Auftrag, in unserer Rolle als Politik und Verwaltung zum Wohl der Gemeinde und in diesem Fall insbesondere zum Wohl der Kinder zu handeln.“ Der Mut, eine Entscheidung zu treffen, gehöre aber ebenfalls zur Rolle aller Beteiligten. „Es ist sogar der wesentliche Teil, weil er auf dem Vertrauen der Menschen dieser Gemeinde gründet“, betonte Mapplassary.

Roos gelingt der Durchbruch

Die folgende Debatte ließ schon erahnen, dass die Mehrheit der Redner den Bau eines Kindergartens an der Gemarkungsgrenze zwischen Birkenau und Nieder-Liebersbach favorisiert. Der Durchbruch gelang dann aber Hans-Jürgen Roos (Bündnis 90/Die Grünen), der eine „Vier-plus-drei-Lösung“ verschlug. Danach sollte auf dem Grundstück „Häusersecker“ in einem ersten Schritt eine viergruppige Kita entstehen und über die Einrichtung weiterer drei Gruppen zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert werden. Seàn O’Donovan (FDP) hatte zuvor darauf hingewiesen, dass die Kerngemeinde auf jeden Fall eine neue viergruppige Kita brauche. Allerdings sei der Bau einer Kita mit sieben Gruppen für Birkenau und alle Ortsteile die beste Lösung. In der Kindergartenkommission seien insgesamt sieben Standorte eingehend beleuchtet worden. Dabei sei das Grundstück Hauptstraße 151 als Alternative abgelehnt worden. O’Donovan bezeichnete es als eine „Milchmädchenrechnung“, wenn behauptet werde, dieses Grundstückkoste die Gemeinde nichts: Die Gemeinde habe es für eine Million Euro erworben.

Argumente fehlen

Andreas Helth (CDU) erklärte, die Union habe bereits 2020 eine Gegenüberstellung – unter anderem der Kosten – für eine große Lösung im Vergleich zum Bau zweier kleinerer Kitas gefordert. Dies sei aus seiner Sicht noch nicht befriedigend beantwortet worden. „Mir fehlen noch die stichhaltigen Argumente“, sagte Helth. Peter Schabel (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, er sei zwar kein Bausachverständiger, aber es liege auf der Hand, dass eine Planung und eine Baustelle günstiger seien als zwei. Ferner wies er darauf hin, dass bei der Diskussion um die Arche Noah nicht außer Acht gelassen werden dürfe, dass der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nicht gegenüber der katholischen Kirche, sondern gegenüber der Gemeinde bestehe. Das Thema „Dringlichkeit“ lag Jan Elflein (Bündnis 90/Die Grünen), selbst junger Familienvater, besonders am Herzen. „Die Eltern fragen nicht, ob die Kita in der Ortsmitte liegen wird oder nicht. Sie fragen: Wann trefft ihr endlich eine Entscheidung?“ Als Vater habe er sich überlegt, was für die Arche Noah spreche und was für die große Lösung. Für den Kindergarten in Nieder-Liebersbach spreche nur die örtliche Nähe. Alle anderen Argumente, wie die U3- und Ganztagsbetreuung oder auch die Verkehrsanbindung, sprächen für die große Lösung. Auch sein Vater Klaus Elflein (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen) sprach sich für eine große Lösung aus. Aus seiner Sicht sei der Bau einer Groß-Kita die günstigste Lösung, zumal das vorgesehene Grundstück relativ preiswert zu erwerben sei. An die Verfechter der Arche Noah gewandt, sagte er: „Ich verstehe nicht, warum Sie die Taube nicht nehmen und den Spatz in der Hand behalten wollen.“

Lob an die Verwaltung

Uwe Zeffner (FDP) lobte zunächst die Verwaltung für die Bereitstellung der umfangreichen Unterlagen. Er forderte dazu auf, keine Fragen auf die Tagesordnung zu bringen, die eine Entscheidung grundlos verzögerten. In Nieder-Liebersbach müsse man sich fragen, ob man die Situation im Kindergarten weiter so hinnehmen oder ob man nicht doch die Vorteile einer hochmodernen Einrichtung in Anspruch nehmen wolle. Selbst im Falle der Sanierung der Arche Noah sei deren Zukunft ungewiss. Kritik übte er an den Verfassern der Petition „Lasst die Kinder im Dorf.“ Dort sei von 31 Kindern die Rede. „Was passiert eigentlich mit den anderen?“ Zeffner: „Ich habe noch keine bessere Lösung als die Groß-Kita kennengelernt.“

Für modernste Ansprüche

Prof. Dieter Kies (Bündnis 90/Die Grünen), der sich wie viele andere mehrfach zu Wort meldete, drängte auf eine schnelle Empfehlung. „Wir müssen jetzt eine Lösung finden.“ Die Diskussion um die Arche Noah habe viel mit Nostalgie zu tun, sagte Kies unter Verweis auf die fehlende Nachmittagsbetreuung. „Wenn wir etwas machen, dann sollten wir es richtig machen. Wir brauchen eine Einrichtung mit allen Optionen, die modernen Ansprüchen genügt.“ Auch der Nieder-Liebersbacher Ortsvorsteher Marc Steinmann (CDU) meldete sich mehrfach zu Wort und verteidigte den katholischen Kindergarten in seinem Ort. Er war es auch, der sich nach der Abstimmung als Erster äußerte und das Ergebnis begrüßte: „Wichtig ist, dass wir die große Lösung nicht sofort bauen, weil sie auch nicht notwendig ist.“ Er finde es vernünftig, dass man sich bei den weiteren Planungen am Bedarf orientiere. MB

Quelle: WNOZ
Artikel vom 18.03.2022

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