Birkenau. Ein flammendes Plädoyer für den Fortbestand eines geeinten Europas stand im Mittelpunkt des Neujahrsempfangs der Birkenauer CDU im Alten Rathaus. Wolfgang Freudenberger, Kreisvorsitzender der Europa-Union und Vorstandsmitglied des CDU-Kreisverbands, erinnerte in seiner 30-minütigen Ansprache an die Errungenschaften, die das geeinte Europa zum Wohl seiner Bürger hervorgebracht habe, und warnte ausdrücklich vor einem Auseinanderdriften der zurzeit noch 28 Mitgliedsstaaten.
Dies berge gerade vor dem Hintergrund der geopolitischen Situation riesige Gefahren. Freudenberger nannte in diesem Zusammenhang das militärisch wiedererstarkte Russland, das durch die Besetzung der Krim und den Einmarsch in die Ostukraine völkerrechtliche Verträge gebrochen habe. Präsident Putin stütze zudem – wie in Syrien – militärisch Unrechtssysteme, um seinen Einflussbereich zu erweitern.
China habe sich zu einem Global Player entwickelt, der bis zum Jahr 2048, dem hundertsten Jahrestag der Revolution, in allen Bereichen die global führende Weltmacht sein wolle: wirtschaftlich, militärisch und gesellschaftspolitisch. Die ungezügelte Kreditvergabe Pekings – nicht nur an afrikanische Länder – bezeichnete Freudenberger als „eine moderne Form der Kolonialisierung“. Auch der Hafen in Piräus bei Athen gehöre den Chinesen. Ihr Einfluss reiche bis in den weltweit größten Binnenhafen in Duisburg, dem Ende der Seidenstraße.
Ausgerechnet jetzt hätten die USA mit Trump einen „irrlichternden Präsidenten“, der lieber Deals als internationale Politik mache und auf Nationalismus und Populismus setze. Immerhin habe Trump die Kongresswahlen verloren. „Es bleibt nur zu hoffen, dass dieser Spuk bald wieder vorbei ist“, sagte Redner.
Der steile Anstieg der Rüstungsausgaben weltweit sei ein Indikator für die überall wachsende Unsicherheit und Unruhe. Dies und die vielen Konflikte überall auf der Welt führten dazu, dass Menschen sich bedroht fühlten und das Vertrauen in die Politik, Lösungen zu finden, schwinde.
Und dennoch gebe es auch gute Nachrichten: Die globale Armut sei gesunken, die Alphabetisierungsrate sei rasant auf 83 Prozent der Weltbevölkerung gestiegen, schwere Krankheiten seien besiegt und die Kindersterblichkeit drastisch reduziert worden. Die globale Lebenserwartung sei auf 71 Jahre gestiegen.

Selbstbild in der Krise

Das ehemals gemeinsame Selbstbild der EU stecke dagegen in der Krise. Es gebe Mitgliedsländer, die die Europäische Union durch ihren starken Wunsch nach Souveränität und Autonomie von innen her aufsprengen wollten. „Wozu das führt, können wir am Beispiel des Brexit sehen.“
Der Aushöhlungsprozess werde zudem durch Länder verstärkt, die zwar in der EU blieben, aber „unverfroren die gemeinsamen Werte und Standards aufkündigten“ wie Ungarn und Polen. „Rechtspopulistische Parteien wie die AfD stellen ihre Kandidaten für das Europäische Parlament nur auf, um es von innen zu zerstören“, sagte der Europa-Experte weiter. Vielfach werde befürchtet, dass Nationalisten und Populisten, die das „Feindbild Europa“ auf ihre Fahnen schrieben und mit ihrem Hass auf Europa in ihren Ländern punkten und Wahlen gewinnen wollten, eine starke Kraft im nächsten EU-Parlament sein könnten.
„Umso wichtiger ist es, den Bürgern zu sagen, dass mit Nationalisten und Populisten der Feind der Demokratie bereits mitten in der EU sitzt“, erklärte Freudenberger. Nicht wählen zu gehen, sei der „größte Feind“ der Demokratie. Er sei aber optimistisch, dass sich die Vernunft durchsetzen werde.
Auch das nächste EU-Parlament werde Gesetze zu den zentralen Themen unserer Zeit verabschieden. Der Redner nannte in diesem Zusammenhang unter anderem die wirtschaftliche Stabilität, die Vollendung des Binnenmarkts, die Zusammenarbeit gegen grenzüberschreitende Kriminalität und internationalen Terrorismus, die Sicherstellung einer engen Partnerschaft mit Großbritannien und den USA, die Weiterentwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, eine gerechte Finanz- und Steuerpolitik, die Digitalisierung und den Klimaschatz. „Bei dieser Wahl geht es um die Seele Europas. Überlassen wir sie nicht den Seelenverkäufern“, blickte Freudenberger auf den Urnengang Ende Mai.
Der frühere CDU-Landtagsabgeordnete Peter Stephan, der ebenso wie seine Nachfolgerin Birgit Heitland am Neujahrsempfang teilnahm, sagte, wer die Idee der europäischen Einigung noch immer nicht begriffen habe, solle sich einfach mal die Soldatenfriedhöfe ansehen, die in zwei Weltkriegen entstanden seien. „Das müssen wir auch den Braunen sagen.“
Der Birkenauer FDP-Vorsitzende Uwe Zeffner fügte hinzu, es müsse deutlich gemacht werden, wieviel Positives die EU mit sich bringe – gerade Deutschland als Exportnation profitiere von Europa. MB

Quelle: WNOZ
Artikel vom 28.01.2019

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