Birkenau. Ein und dasselbe Thema, unterschiedliche Meinungen. In ihren Haushaltsreden bei der Sitzung der Gemeindevertretung erläuterten die Fraktionsvorsitzenden ihre Sichtweise und ihr Abstimmungsverhalten zum Etat. „Nach sieben fetten kommen sieben magere Jahre“, hat in der Bibel Moses dem Pharao zu bedenken gegeben und zur Vorsorge aufgerufen. Eben dies gelte es auch seitens der Gemeindevertretung zu bedenken, sagte Dr. Bernhard Klein (CDU), der dieses Zitat in seine Rede aufgenommen hatte.
Umfangreich wie nie sei das Zahlenwerk. Ausgaben von 18,3 Millionen stehen Einnahmen von 18,2 Millionen gegenüber, ergeben also einen Überschuss. Die Einnahmen der Gemeinde seien vor allem durch die Anteile der Einkommenssteuer aufgrund der guten Konjunkturentwicklung von 15,9 auf heute 19,4 Millionen gestiegen. Eben hier liege aber auch das Problem. Nur über Grundsteuer A und B, Gewerbesteuer und Hundesteuer könne Birkenau Einfluss auf ihre Einnahmen nehmen, alle anderen Erlöse seien konjunkturabhängig.
Von den Ausgaben im Ergebnishaushalt seien die Kindertagesstätten und die Abgaben an den Kreis in Form von Umlagen, beispielsweise für die Schulen, die größten Blöcke. Rund 4,5 Millionen Euro betrage das Defizit in diesen Bereichen. Bezüglich der Investitionen stünden mit dem Feuerwehrgerätehaus Löhrbach (2,5 Millionen), dem Neubau Bürgerhaus (6 Millionen), der Sanierung des Freibades (2 Millionen) und der Innerörtlichen Gemeindestraße (IöG) große Investitionen ins Haus, die die Pro-Kopf-Verschuldung der Bürger erhöhen und erhebliche Folgekosten nach sich zögen.
Klein betonte, dass die Erhöhung der Einwohnerzahl der Gemeinde und dadurch die Erhöhung der Schlüsselzuweisungen das wichtigste Mittel sei, die finanzielle Situation der Gemeinde positiv zu beeinflussen. Klein bezeichnete den Haushalt als „prinzipiell solide“, dennoch sei die Vorsorge für schlechtere Zeiten immer zu beachten.
Den Haushalt früher einzubringen, um mehr Zeit für die Diskussion über ihn zu haben, das forderte Bernd Brockenauer (SPD). Schließlich stehe der Haushalt de facto lediglich ein halbes Jahr zur Verfügung, da auch nach dem Beschluss noch behördliche Schritte bis zum endgültigen Inkrafttreten erfolgten und dadurch viele Projekte stets von einem in den nächsten Haushalt weitergegeben würden. Kostenintensiv, aber wichtig, seien die Projekte Bürgerhaus, da immer weniger Versammlungsstätten für die Bürger zur Verfügung stünden und die IöG, um den Ortskern zu entlasten. Kritisch merkte Brockenauer die Höhe der Kreis- und Schulumlagen von rund 400.000 Euro pro Monat an, die den Kommunen nur wenig Spielraum zur Selbstgestaltung ließen.
Eine „Investitionsorgie“, der man die Rote Karte zu zeigen müsse, sei der geplante Umgang mit dem Geld der Kommune, sagte Prof. Dieter Kies (Grüne). Eigentlich müsse sparsam wirtschaften, um die künftige Generationen nicht über Gebühr belasten. Dadurch, dass die „Hessenkasse“ noch ohne Rechtsgrundlage sei, sei der Etat ohne Haushaltskonsolidierungskonzept seiner Auffassung nach rechtswidrig, da noch Fehlbeträge aus Vorjahren ausgeglichen werden müssten. Nicht nur bei der IöG und der Verschuldung der Gemeinde, sondern derzeit auch beim Feuerwehrgerätehaus in Löhrbach und dem Bürgerhaus sei das finanzielle Verhalten der Gemeinde weder wirtschaftlich noch sparsam oder generationengerecht.
Innehalten und überdenken
Anstatt einer Ausgabenexplosion des geplanten Feuerwehrgerätehauses von 500.000 auf 2,2 Millionen Euro zu zustimmen, sei Innnehalten und Überdenken gefragt. Eine Streichung des Übungsraumes und eine Verkleinerung des Gebäudes seien Möglichkeiten gewesen, Kosten zu senken. Das Bürgerhaus und die gleichzeitige Sanierung des Freibades verursachten Ausgaben von 8 Millionen Euro. „Wir wollen hoffen, dass diese Kosten nicht auch – wie in Löhrbach – mit einem mal explodieren.“ Kies forderte die Verwaltung auf, die Gemeindevertreter über Steigerung der Kostensätze frühzeitig zu informieren, was beim Feuerwehrgerätehaus unterblieben sei. „Birkenau überfordert sich selbst“, sagte Kies zusammenfassend.
Positiv zum Haushalt merkte Erich Kadel (Freie Wähler) unter anderem an, dass ein dauerhafter und transparenter Austausch über die Finanzentwicklung dank des neu geschaffenen Haushaltsrates zu erwarten sei. Durch die neu eingeführte verbesserte Darstellung von Investitions- und Folgekosten für die Großprojekte IöG und Bürgerhaus sei zeitnah umgesetzt worden, eine Steuerung der Kostenentwicklung beim Bürgerhaus sei für die Gemeindevertreter jederzeit möglich.
Anderseits führten die noch fehlenden Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre dazu, dass eine vergleichende Betrachtung nicht möglich sei und bereits vor Längerem beschlossene Maßnahmen noch nicht umgesetzt worden seien. Eine Übersicht über den Sachstand der derzeit laufenden Projekte sei nicht Gegenstand der Haushaltsberatungen gewesen, eine klare Positionierung Birkenaus bezüglich seiner Ziele sei nicht vorgenommen worden, was von der Kommunalaufsicht moniert worden sei.
Nicht nur mehr Bürger, sondern auch mehr Gewerbe müsse in Birkenau Fuß fassen, sagte Sean O‘Donnovan (FDP) in seiner Haushaltsrede. Dem Trend, dass auch im vergangenen Jahr wieder viele kleine Betriebe geschlossen hätten, müsse verstärkt entgegengewirkt werden. Wichtig sei die Fertigstellung der IöG, ohne die das Verkehrskonzept der Gemeinde nicht umgesetzt werden könne und ohne die eine Belebung des Ortskerns unmöglich sei. Die Gemeinde müsse Sparmaßnahmen besser ausloten, bevor sie zu dem Mittel der Steuererhöhung greift, forderte O‘Donnovan. uf

Quelle: WNOZ
Artike vom 22.03.2018

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