Birkenau. Es herrschte schon eine besondere Atmosphäre, als am Dienstag die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses (HFA) der Birkenauer Gemeindevertretung im Saal des Rathauses zusammenkamen. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Volker Buser (CDU), Bürgermeister Helmut Morr und einigen Mitarbeitern der Verwaltung saßen sie einzeln an Tischen, die möglichst weit voneinander entfernt aufgestellt worden waren – die Corona-Krise und ihre Folgen sind allgegenwärtig.
Dass der Ausschuss in dieser Sitzung anstelle der Gemeindevertretung quasi „letztinstanzlich“ über Haushalt und Investitionsprogramm entschied und diese Entscheidung dann auch noch einstimmig erfolgte, auch das gehörte zu den Besonderheiten, war aber immer noch nicht alles: Im Saal waren mehrere Richtmikrofone verteilt, eine Kamera war auf die Projektionsfläche an der Wand gerichtet, auf der Zahlen und Fakten aus dem Haushalt sichtbar gemacht wurden. Für die technische Ausführung zeichnete Marco Zink, ein junger Mitarbeiter aus der Haupt- und Finanzabteilung, verantwortlich.
Dieser Aufwand ermöglichte es den Mitgliedern des Gemeindevorstands und der Gemeindevertretung sowie der Ortsbeiräte, die Sitzung von zu Hause aus umfassend mitzuverfolgen, wie HFA-Chef Dr. Bernhard Klein (CDU) zu Beginn der Sitzung erläuterte. Unter all diesen Voraussetzungen entwickelte sich eine außergewöhnlich sachliche Diskussion, von der auch der Bürgermeister beeindruckt war: „Ich bin regelrecht begeistert, wie heute gearbeitet wurde“, sagte Morr nach der Sitzung.

Projekte verschoben

Bei der Durchsicht der einzelnen Haushaltspositionen, die Verwaltungsmitarbeiter Jens Hilman ausführlich erläuterte, gab es – Ausnahmen bestätigen die Regel – zumeist wenig Gesprächsbedarf. Aufgrund der Corona-Krise hat die Verwaltung die einzelnen Positionen zurückhaltend angesetzt und einige kleinere Investitionen in das kommende Jahr verschoben. Das betrifft unter anderem die IKEK-Maßnahme Obergasse 6. Das Gebäude gegenüber dem Alten Rathaus soll abgerissen und die Fläche für einen Ruheplatz verwendet werden.
Ebenfalls verschoben wurden zwei Projekte in Löhrbach: die Neugestaltung des Dorfplatzes und die Herstellung eines Verbindungswegs zwischen Kirche und Friedhof. Auch mehrere kleinere Maßnahmen in der Hornbacher Mehrzweckhalle – unter anderem soll dort eine behindertengerechte Toilette eingebaut werden – werden erst 2021 durchgeführt werden können.

Gesamtvolumen 232.000 Euro

Auch die Maßnahmen des TV Reisen rund um die Südhessenhalle sollten zunächst verschoben werden. Der Turnverein will auf dem Sportplatz vor der Halle eine Tartanbahn mit einer Länge von 100 Metern bauen und die bestehende Anlage oberhalb des Platzes sanieren. Das Gesamtvolumen der Maßnahme beläuft sich 232.000 Euro. Die Gemeinde soll nach dem Wunsch des Vereins 130.000 Euro davon tragen.
In der Diskussion erklärte Bürgermeister Helmut Morr, die Verwaltung habe sich bei der Aufstellung des Haushaltsplans Gedanken darüber gemacht, welche Maßnahmen im aktuellen Haushalt veranschlagt werden können und welche auch noch im kommenden Jahr realisiert werden könnten. „Die geplanten Anlagen sind zwar für den TV Reisen wichtig, aber es sollte reichen, wenn sie erst 2021 durchgeführt werden können.“

Kies: Ein Signal setzen

Dagegen vertrat Prof. Dieter Kies (Bündnis 90/Die Grünen) die Auffassung, dem Verein zumindest einen Teil der Summe zur Verfügung zu stellen und damit ein Signal zu setzen. Dafür sprachen sich auch Ausschussvorsitzender Dr. Bernhard Klein (CDU) und Thomas Waringer (SPD) aus. Erich Kadel (Freie Wähler) schlug vor, in diesem Jahr wenigstens die Sanierung der Rasenfläche zu ermöglichen. Bürgermeister Morr schaltete sich noch einmal in die Diskussion mit ein und sagte, wenn man dem TV gegenüber ein Signal setzen wolle, solle man eher die Tartanbahn als die Rasenfläche im Blick haben. „Das ist die wichtigere Investition.“
Dr. Klein gab zu bedenken, dass der Verein die 130.000 Euro möglicherweise als Gesamtpaket erwarte. Die Frage, ob der Haushalt noch genügend Spielraum für das Maßnahmenpaket in Reisen besitze oder dafür ein weiteres anderes Projekt zurückgestellt werden müsse, stellte Seàn O’Donovan (FDP). Volker Buser wies darauf hin, nicht den zweiten vor dem ersten Schritt zu gehen. Ehe der TV Reisen Zuschüsse beantragen könne, müsse er mit der Gemeinde als Eigentümer der Südhessenhalle und des Geländes einen Pachtvertrag abschließen. Dies sei noch nicht geschehen.
Schließlich schlug Dr. Klein vor, dem TV Reisen in diesem Jahr 30.000 und im kommenden Jahr 100.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Diesem Kompromissvorschlag konnten sich alle Ausschussmitglieder anschließen. Im Detail muss über den Antrag noch weiter beraten werden. MB

TV-Finanzierungsplan:

Nach dem vom TV Reisen vorgelegten Finanzierungsplan sollen der Bau der Tartanbahn und die Sanierung des Rasenfeldes insgesamt 232.000 Euro kosten.
Zuschuss des Landes Hessen: 50.000 Euro.
Zuschuss des Kreises Bergstraße: 5000 Euro.
Zuschuss der Gemeinde: 130.000 Euro.
Eigenmittel des Vereins: 47.000 Euro.

Quelle: WNOZ
Artikel vom 24.04.2020

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